Poet, Denker, Wahnsinniger
Pressestimme zum Programm 'Helden Des Alltags'
Passauer Neue Presse vom 10.04.2006
Was, wenn der homo oeconomicus, dieses durch und durch wirtschaftlich denkende und handelnde Wesen, urplötzlich aus der Theorie in die Wirklichkeit tritt? Wenn alles noch besser, noch moderner, schneller, effektiver wird? Der Wiener Kabarettist Klaus Eckel, Gewinner des Passauer Scharfrichterbeils 2005, hat da so eine Idee. Sie ist ebenso schauderhaft wie sein Programm „Helden des Alltags“ fantastisch ist. Die Deutschlandpremiere am Samstagabend in Passau dürfte Eckels Sprung in die erste Kabarettliga gewesen sein.
Eckel gibt der modernen Tragödie des Menschen, der zu Gunsten der Modernität seine Freiheit und damit sich selbst abschafft, einen kräftigen Tritt - und schon ist man mittendrin im Absurden: Vor lauter positivem Denken hat Kanzler Wolfgang Schüssel die Rentner nicht „gerupft“ sondern „abgefedert“, vor lauter Beschleunigung wirft der „McDrive-Bus“ auf der Autobahn den Fraß bei voller Fahrt ins Auto. Wer langsamer fährt als 230, wird von Staatswegen verdonnert, einen Hut zu tragen. Vor lauter Fortschritt fragt sich der Faulenzer: „Es ist ja ganz schön hier, aber wie nah bin ich eigentlich am Äquator?“ Gut, wenn man eine Uhr hat, die solche Rätsel lösen kann. Wie gut auch, wenn das Klo selbständig Urinproben analysiert - per Mail wird der Arzt informiert, der schickt einen Ernährungsplan an den Kühlschrank, jener bestellt sofort das Nötige im Supermarkt. Der Mensch hat ausgedient, die Dinge übernehmen die Herrschaft, sie sind die wahren „Helden des Alltags“. Eckel spielt wenig und redet umso mehr - „Wienerisch mit Untertiteln“. Schwächen zeigt er nur im übergroßen BemühenPointendichte. Doch der „Souffleur beim Pantomimentheater“ ist verzeihlich, wenn ein Künstler dermaßen viel Aura und Kreativität in die Waagschale zu werfen hat. Oder wo war bislang das Kabarett, in dem überqualifizierte Arbeitskräfte radikal „runterggeschult“ werden, in dem einer für sein Handy die Gebrauchsanleitung seiner selbst als unzulängliches „Modell Eckel“ schreibt. Wo war, neben Josef Hader, der kabarettistische Liedermacher in Kreisler-Tradition, der sensibel Zeitgenossen wie Heinzi besingt? Das 30er-Zonen-Schild, das aus Missachtung depressiv geworden ist. Das Kabarett hat einen neuen absurden Poeten, einen wilden Denker und Bühnen-Wahnsinnigen.