Pointen eines Pessimisten
Pressestimme zum Programm 'Alles bestens, aber...'
"Alles bestens, aber..." so heißt Klaus Eckels sechstes Soloprogramm. Und damit das nicht fad wird, geht es hier fast ausschließlich um das "Aber". Das Publikum im Kabarett Niedermair hatte bei der Wien-Premiere am Mittwoch einen unheilbaren Hypochonder vor sich. Tag für Tag erlebt dieser eine Welt voller Bakterien, Viren und Tinnitus-aktivierender Musikbeschallung - was schwer auf seine Gemütslage drückt. Eckel nimmt in seinem sechsten Soloprogramm nicht - wie im Vorgänger "Not sucht Ausgang" - den Umweg, eine Kunstfigur zu installieren, sondern steht als Klaus Eckel selbst auf der Bühne, beziehungsweise als hypochondrische Version von Klaus Eckel. Der Schal gehört zu dessen Grundausstattung, ebenso der Trainingsanzug - die Uniform der Bettlägrigen. Der Pessimist lässt vor seinem Publikum die Hosen runter - um sich die Beine einzuschmieren. Was das für eine Welt sei, in der man zu einem simplen Haarausfall nicht mehr Haarausfall sage, sondern: andogenetische Alopezie. Derart bedrohlich klinge eine solche Diagnose, dass er seinen Arzt umgehend fragen würde: "Wie lange hab' ich noch?!" Die Frage der Rest-Lebenszeit stelle sich in einer lebensfeindlichen Welt ohnehin andauernd. Lauern doch überall Krankheitserreger - an Haltegriffen in der Straßenbahn, an Einkaufswägen im Supermarkt. Da helfe kein Actimel-Komasaufen und auch kein Rooibos-Tee.
Die Taste 1
Apropos Supermarkt: Haben Sie sich eigentlich schon einmal gefragt, warum bei den Selbstbedienungs-Waagen die Taste 1 immer mit der Banane belegt ist? Für Eckel könnte das auch der allerletzte Beweis dafür sein, dass der Mensch vom Affen abstammt. Seine vom Leben gepeinigte Bühnenfigur macht sich überhaupt so seine Gedanken über die Arbeitswelt. Überall müsse man sich selbst bedienen, Tankwarte verdienen diese Berufsbezeichnung gar nicht mehr, da sieunentwegt am Brotbacken seien. Alles müsse man als Kunde heute selber machen - Überweisungen tätigen, Getränke selbst zapfen. Das führt Eckel zur glänzenden Gesellschaftsdiagnose: Auch wenn man keinen Job hat, arbeitslos wird man deswegen noch lange nicht. Der 35-jährige Kabarettist geht förmlich über an Ideen, Beobachtungen und schrägen musikalischen Einfällen am Keyboard - man bekommt den Eindruck, Eckel könne gut und gern drei Programme damit füllen. Dennoch wirkt das ganze keineswegs überladen. Auch um-die-Ecke-Gedachtes ist derart glasklar ausformuliert, dass kein Lacher auf der Strecke bleibt. Und so ist es keine Übertreibung, festzustellen, dass Eckel derzeit die besten Pointen des Landes serviert. Nicht umsonst sind Eckels Vorstellungen im Kabarett Niedermair bis Ende März ausgebucht. Dass er ab September in der ORF-Comedy-Serie "Burgenland ist überall" zu sehen sein wird, sollte die Bekanntheit des Wieners verdientermaßen weiter heben.
Nach der Pause von "Alles bestens, aber…" kommt Eckel im vermeintlich neuen, roten Trainingsanzug auf die Bühne. Aber anscheinend hat er sich dieses Modell noch von seinem älteren Programm "Helden des Alltags" aufgehoben. Im zweiten Teil des neuen Solos geht Eckel daran, an seinem Pessimismus zu arbeiten. Dazu packt er Stück für Stück seine "Zufriedenheitskiste" aus, die ihm sein Psychotherapeut zusammengestellt hat. Da holt er etwa einen Ziegelstein als "mobile Klagemauer" hervor, oder die Positiv-Version eines täglich zum Alarm rufenden Kleinformats - die "Happy Krone". Das Vorführen solcher Requisiten erinnert zwar ein bisschen an Alf Poier, geht aber um einiges raffinierter vonstatten. Eckel führt sämtliche Psycho-Krücken ad absurdum - und wie er den verordneten Optimismus in ein Lob der Unzufriedenheit umwandelt, das muss man gesehen haben. Und sei es nur wegen einer selten so gelungenen Schlusspointe, die keiner großen Worte bedarf, aber umso effektvoller daherkommt.